Freitag, 11. Februar 2011

Finale

Eine unglaublich erlebnisreiche Laufwoche geht zu Ende. Blättere ich zu meinen Einträge vor einem Jahr zurück, in der Vorbereitung zum MdS, lief ich durch Schnee, Eisregen und Kälte. War dick eingepackt und abends jeweils durchfroren und matt. Trug warmen Tee im Rucksack mit dabei, und Mütze, Handschuhe, Halstuch. Ganz anders dieses Jahr: leichte Schuhe und Bekleidung, Schweiss rinnt unter die Sonnenbrille, die Gedanken sind luftig wie das Himmelblau, welches jeden Schritt begleitet. Ich staune ob der Natur, bin dankbar, und nehme den Schlusslauf in Angriff. Die Beine sind nach rund 60k diese Woche schon etwas schwer, aber das Herz ist leicht.

Villigen - Gebenstorf - Baldegg - Baden - Lägern (Burghorn) - Ehrendingen, und via Surbtal - Würenlingen nach Villigen zurück. So soll es sein.

In Vogelsang macht das Wasserschloss einen mageren Eindruck. Überall sind Kieselsteinbänke hervorgetreten, man kann trockenen Fusses von Insel zu Insel hüpfen. Die Schneeschmelze wird dieses Jahr auch nicht viel Wasser bringen. Wie das wohl weitergeht? Slacklining über neue Seitenarme des Flusses?




In Gebenstorf gehts hinauf. Na ja, Höhe kann man das nicht nennen. Aber die Aussicht vom Baldeggturm ist lohnend. Hier, in bewegten Bildern (zugegebenermassen etwas ruckelig; da muss ich mir noch was einfallen lassen ...):





Danach gehts locker über die Ruine Stein nach Baden, wo die Leute in den Cafés draussen sitzen und niemand auch nur annähernd winterlich gekleidet ist. Über die Hochbrücke und links runter, und dann staune ich immer wieder: mitten in der Stadt, an einer vielbefahrenen Kreuzung beginnt ein Wanderweg - zunächst gelb markiert, aber er wird rasch zum Bergwanderweg mit weiss-rot-weisser Markierung. Mitten im Flachland ein anspruchsvoller Aufstieg in wilde Landschaft, über schwierige Felsen und steile Passagen - ein einzigartiges Erlebnis. Ich wollte, der Weg würde niemals aufhören:



Und dann bin ich plötzlich oben, ganz alleine, und geniesse die Fernsicht. Links und rechts geht es steil runter. Der Mond steht hoch über mir, und obschon die Nacht noch fern ist kommt mir Eichendorff in den Sinn:

Und meine Seele spannte
weit ihre Flügel aus.
Flog durch die stillen Lande,
als flöge sie nach Haus.




Danach gehts nur noch abwärts. Die Schritte werden schwerfälliger, aber ich laufe wie in Trance. Ehrendingen, Lengnau, Endingen ziehen an mir vorbei. Die Luft wird ein wenig kühler. Es riecht nach Mist und frisch gepflügtem Acker. In Würenlingen begleitet mich die untergehende Sonne mit orangenem Glühen, und als ich ankomme, ziehen Flugzeuge ihre Kondenssteifen in Rosa über den Abendhimmel.

Wunde Füsse und ein Zehennagel, der sich von mir trennen will; das ist die ganze (klitzekleine) Körperbilanz. Aber manche Erlebnisse sind eine Trennung wert. Die übrigen Zehen sind jedenfalls rasch besänftigt ...

Mittwoch, 9. Februar 2011

Kompliment

"Trainierst du?" fragt Norbert heute.
"Mhm."
"Du siehst ausgemergelt aus."

Na prima. Der Tag fing eigentlich gut an. Ich beschliesse, es als Kompliment zu sehen.
Weiterlaufen :-)

Montag, 7. Februar 2011

Der Radweg zwischen Brugg und Villnachern ist bald fertiggestellt – wunderbar für kurze Abstecher ins Schenkenbergertal. Ich bin nicht allein; einige Radfahrer sind unterwegs. Bis zum Schloss Kasteln, welches in der strahlenden Sonne leuchtet ...



... geht’s in meinem Tempo. Aber in Oberflachs überholt mich ein älterer Herr (silbernes Haar unter dem Helm) mit forschem Tritt. Ich bin überhaupt noch nicht trainiert, und doch sticht mich der Hafer. Übermütig verschärfe ich ausgangs Dorf den Gang; er verlangsamt ein wenig, aber der Kerl ist fit und ich schaffe es nur, an ihm dran zu bleiben. Statt gemütlich hochzupedalen und die Landschaft zu geniessen ziehen wir energisch zur Staffelegghöhe hoch – dann grinst er kurz über die Schulter und verschwindet gegen Westen. Ich keuche, schwitze, beruhige mich, geniesse die Aussicht – und stürze mich danach ins Tal zurück.



Manchmal, im Rausch der Höchstgeschwindigkeit, durchzuckt mich ein Gedanke: Wenn jetzt eine Katze vor das Rad läuft? Hab ich mir früher nie überlegt ... eine Alterserscheinung? Na, was geschieht wohl? Fauchen, sprühende Funken, ein Knäuel aus Fell, Velo und mir ... dann Filmriss und anschliessend - Pflege. Oder Pathologie. Genau so schnell wie der Gedanke kommt ist er wieder weg und ich fahre, mit leicht übersetzter Geschwindigkeit, in Oberflachs ein. Keine Katze in Sicht.
Schade gibt’s nicht mehr solche Pässe vor der Haustüre!

Sonntag, 6. Februar 2011

Veronika, der Lenz ist da ...

... am 6. Februar? Man könnte es so meinen. Für einmal brechen die Skibegeisterten nicht in die Ferien auf, um uns Flachländer unter der Nebeldecke zurückzulassen. Sondern die Sonne scheint für alle - ein herrlicher Tag für ca 25k draussen. Schon der Beginn lässt mein Herz hüpfen:

Joseboden, Villigen - Aufbruch
Weiter in Richtung Villigen - Remigen, durch die noch kahlen Rebberge. Während ich oberhalb laufe, spüre ich bereits wie die warme Luft von unten den Hang hochzieht. Der Boden, die toten Blätter des vergangenen Herbstes, das von der Kälte abgestorbene Gras - alles liegt in erdigen Brauntönen da, und die Sonne scheint mit Kraft darauf, um das Wurzelwerk darunter zum Leben zu wecken. Ich könnte singen ...




Auf dem Bürersteig schliesslich ein erster Verpflegungshalt. Im Wald zwitschern zaghaft erste Vögel ... wenn die nur nicht zu früh mit dem Nestbau beginnen. Würde mich nicht wundern wenn in zwei, drei Wochen nochmals dick Schnee fällt. Aber ich verdränge das ...

Geissberg
Es läuft fast wie von alleine. Gelegentlich schiebt mich etwas Südwind. Nur Fliegen wäre jetzt noch schöner ... mit einer kleinen Maschine selber diese Linien ins Himmelblau zeichnen. Später irgendwann - vorerst bin ich "geerdet"; Strassen, Wege, alles ist lichtdurchflutet - herrlich. Nach Mönthal hinunter ...

und weiter nach Oberbözberg ...


ein kleines Stück "heartbreak hill"; dort wo vor  fast siebzig Jahren Polen am Werk waren:



... bloss bin ich sehr erstaunt über die Sauerei neben der Strasse. Alle paar Meter Bierdosen. Wer das tut, den sollte man zum Steineklopfen und Mauerbau abkommandieren!













Doch dann bin ich oben in Oberbözberg, der Blick geht weg vom (versauten) Boden in die Ferne. Eine schöne Belohnung - und ich weiss, am Bruggerberg gibts einen Lieblingsplatz (auch meiner), dort will ich noch hin und mir das ein zweites Mal anschauen.

Blick von Oberbözberg in Richtung Süden
Die Strecke Kirchbözberg - Riniken ist einfach, es geht immer etwas bergab, mit kurzen steilen Passagen im Wald. Viele Biker und Spaziergänger sind draussen, alle haben eine gute Stimmung im bleichen Gesicht. 


Beim Gäbiweg halte ich an und schaue in Richtung Brugg. Hier stand ich als Bub, mit dem Schlitten in der Hand, und das Lägern-Herz hat mich bereits damals fasziniert:


Blick von Riniken nach Brugg

Schnell bin ich im Brugger Wald verschwunden; hier kenne ich fast jeden Pfad wie meine Hosentasche. Homerun! Der Weg beim Forsthaus ist ockerfarben und erinnert mich an Sand, ich laufe ihn auch entsprechend langsam und zäh ...












... doch dann: ein kurzer Aufstieg nur, mein Herz schlägt schneller ...



... und dann bin ich da. Das kann man nicht beschreiben:




Genug der Eindrücke. Es geht heimwärts, noch immer ist das Licht kräftig und belebend ... ich lenke die Schritte nach Villigen, müde und durstig, erfüllt und glücklich. Einige Stunden später malt jemand wunderbares Abendlicht an den Himmel, der Tag geht zu Ende, und ich weiss einmal mehr: nur draussen bin ich wirklich zuhause.



Mittwoch, 2. Februar 2011

I am flying, passing high clouds ...

Ja endlich - die Suppe löst sich auf, und es wird blau. Nichts wie raus. Los geht es, in Richtung Gebenstorf, dann gleichmässig zum Petersberg hoch, wo noch etwas Schnee liegt und die Waldwege eisig sind. Hier werde ich bestraft fürs Mittagessen: Linsen. Kohlenhydrate pur, schon, aber die Dinger liegen wie Blei im Magen, und so geht es mehr "dying" als "flying" hoch zur Baldegg. Ich hätte es wissen müssen ... keine Hülsenfrüchte vor der Anstrengung. Na, wer nicht hören will muss fühlen.


Dafür ein Aufsteller: der Turm ist geöffnet. Treppenstufen, ich liebe sie - zusammen mit vielen Kindern und ein paar Spaziergängern geht es hoch auf die Aussichtsplattform. Dunst liegt über der Landschaft, aber der Blick ist schön und der Atem wird ruhig.


Der Rest ist unspektakulär: runter zur Ruine Stein und nochmals ein herrlicher Rundumblick, dann via Ennetbaden - Siggenthal zurück in den Schachen Brugg. Es dünkt mich, die Tage seien schon länger, denn trotz ordentlich viel Zeit in den Laufschuhen ist es noch hell, als ich ankomme. Die Sonne geht orange unter, Flugzeuge malen dünne weisse Striche an den Abendhimmel, ein guter Lauf geht zu Ende und der Alltag lässt sich wieder prima aushalten.