Dienstag, 22. Juni 2010

Zum Davonlaufen ...

Kürzlich rannte ich nach Feierabend kurz durch die Regale eines Grossverteilers. In beiden Kinderzimmern war eine Halogenlampe zu ersetzen. Schliesslich hielt ich die günstigste Variante in den Händen: eine Dreierpackung für etwa zwölf Franken. Auf der Rückseite stand "Made in China". Als ich die daneben hängende Packung mit zwei Lampen ergriff, Marke Osram, staunte ich nicht schlecht: "Made in Germany". Zwei Stück für dreizehn Franken. Aha.

Ich nahm die Zweierpackung. Denn warum muss immer alles aus China kommen? Unsere Laufschuhe werden in Fernost genäht, die Shirts und Tights auch, und Brille, Mütze, iPod etc. sowieso. Selbst Rohner-Socken, so hörte ich, werden in der Schweiz vorgefertigt und dann nach Portugal gekarrt, dort von flinken, günstigen Näherinnen zusammengenäht und wieder in die Schweiz zurückgefahren.

Drei der chinesischen Lampen sind billiger als zwei, die aus dem Nachbarland stammen - eine verkehrte Welt. Sind die China-Funzeln billiger, weil die Wanderarbeiter in schmutzigen Unterkünften hausen und schlecht entlöhnt werden? Oder die Herstellerfirma ihre Abfälle locker in den Fluss hinter der Fabrik kippen kann, was in Germany schwieriger ist? Oder der Treibstoff für die Tanker, mit denen die Ware über die Ozeane geschifft wird, billiger wird, je grösser die Distanz?

Die Reihe lässt sich fortsetzen: ich wollte beim gleichen Grossverteiler Bleistifte fürs Schuletui kaufen, normale aus Holz, sechskantig, mittlere Härte. Auf allen Verpackungen steht: "Zedernholz USA, Made in China". Ja himmelnochmal: ein Bleistift wird um die ganze Welt geschickt, bloss dass wir ihn hier günstig im Viererpack kaufen können? Ich weiss zwar nicht, wo Caran d'Ache ihr fein riechendes Zedernholz her nimmt, aber es steht zumindest "Swiss Made" auf den Bleistiften, und das ist mir etwas wert. Hier, wer es nicht glaubt:






Nein, ich habe nichts gegen Chinesen, Vietnamesen, Indonesier, und deren Wirtschaft soll auch blühen. Aber ich habe auch nichts gegen Arbeitsplätze in der Schweiz oder gegen Fabrikationshallen in Europa - sonst sind wir irgendwann alle nur noch Dienstleister, während die Produktion woanders stattfindet. Wollen wir das?

Zum Abschluss noch dies: Sigg, Hersteller schöner Alltagsdinge wie Trinkflaschen, macht Werbung mit dem Schweizerkreuz. Kürzlich erstanden wir eine dieser neuen Znüni-Böxli (für Fremdsprachige: Proviantbox). Ich dachte, ich hätte etwas Gutes für den Produktionsstandort Schweiz getan. Und was steht auf der Verpackung:



"Made responsibly in China". Gut entlöhnte Wanderarbeiter. Keine Abfälle im Fluss. Alles in Ordnung - tatsächlich?
Ich geh jetzt mal raus und lüfte meinen Kopf. Meine Schuhe stammen aus Fernost, aber die Hosen, immerhin, sind von Löffler. Und damit aus Österreich oder Deutschland. Ob ich darunter Unterwäsche von Zimmerli (CH) trage verrate ich nicht.
Augen auf beim Einkauf!

Dienstag, 8. Juni 2010

Die Sponsorenliste ...

... ist da; siehe oben. Ganz herzlichen Dank allen Privaten, Firmen, Behörden etc., die mit einer Mischung aus Kopfschütteln, Entsetzen, aber auch Ermutigung und Begeisterung mein Projekt unterstützt haben. Ich darf dank Ihnen allen einen stolzen Betrag von rund CHF 10'000.-- (vielleicht werden es in den kommenden Tagen noch etwas mehr) entgegennehmen und je hälftig dem Kinderheim Brugg und dem Projekthilfeverein Südostasien in Brugg überweisen. Vielen, vielen Dank - das zeigt mir, dass der Entscheid richtig war, auch wenn ich ohne Finisher-Shirt und Medaille nach Hause kam. Aber was nicht ist, kann noch werden ... "Springseiltraining" lautet übrigens die ärztliche Empfehlung für mein schwächeres rechtes Fussgelenk. Bei diesem Anblick hier ist einem wirklich nach Bewegung draussen und weniger nach Sitzen drinnen zumute:



"Man hört nicht mit dem Laufen auf, weil man alt wird, sondern man wird alt, weil man mit dem Laufen aufhört."

Mittwoch, 2. Juni 2010

Gedanken zur Bewegung



Beeindruckt stehe ich schon wieder an dieser Stelle. Eine meiner Lieblingsstrecken ist es; bitte zurückblättern zum Eintrag vom 31. Januar, viertes und fünftes Bild - schön kalt, nicht? Hier, zur Erinnerung:


Und jetzt, nur vier Monate später, diese Fülle, auch wenn der Frühling noch nicht so in Fahrt gekommen ist - wunderbar. Ich möchte dauernd hier vorbeilaufen ... das "Itelentäli" in Richtung Unterbözberg lässt die Illusion aufkommen, ich sei abgeschieden und meilenweit von der Zivilisation entfernt.

Apropos Fahrt: kürzlich war ich mit dem Rad draussen, und da die Sonne schien war ich nicht alleine unterwegs. Alles, was Räder hatte, drängte an die frische Luft. Im Wald zum Rotberg hoch hörte ich nur mein Keuchen und das leise Sirren der Kette, bis ein schweres Motorrad vorbeifegte und sein ohrenbetäubendes Knattern fast meine Brillengläser aus der Fassung löste. Zwischen Mandach und Leuggern kam mir ein Zug bunter Oldtimer entgegen, wie Smarties auf einer Reihe, hübsch anzusehen und ob der Augenfreude war auch der Benzingeruch zu verkraften. Erstaunt hat mich, vieviele Radler ohne Helm unterwegs waren - Hirn auslüften oder zuhause gelassen? Die neuen Dinger sind ja so was von leicht und luftig ... ich erinnere mich an meine erste Suppenschüssel aus der Epa, eine Vollverschalung mit zwei Minimal-Lüftungsschlitzen, durch die gerade einmal eine Fruchtfliege gepasst hätte. Was mir bei hingegen wirklich Mühe bereitete war eine neue Generation Risiko-Radfahrer: die Elektrobiker. Man soll ja nicht verallgemeinern. Alle Verallgemeinerungen sind falsch (ein Zitat, zum Nachdenken, von Hirschhausen). Aber es war auffällig oder ich habe einfach nur Pech gehabt: da setzen sich überwiegend ältere Herr- und Damenschaften auf einen Sattel und geben damit zwangsläufig ihr Gleichgewicht auf, ohne sich dessen (und anderer Radler) bewusst zu sein. Gemütlich wird das Gefährt auf dem Radweg gesteuert, mal links, mal rechts, mal in der Mitte, wie es euch gefällt. Oder steuert es womöglich selber? In Döttingen kam mir aus einer Seitenstrasse eine Gruppe elektrisch unterstützter Gemütsfahrer in die Quere - von Rechtsvortritt hatten diese noch nie etwas gehört, geschweige denn von einem vorsichtigen Blick zur Strasse hin, in welche man einbiegt. Ich krallte mich an den Bremsen fest, ganz erstaunt wie ein Rennrad selbst mit blockiertem Vorder- und Hinterrad am Boden kleben bleibt, und erntete nur missmutige Blicke. Glück gehabt. Ich glaube, ich kaufe mir im Veloplus diese chinesische Riesenglocke oder eines dieser Fan-Hup-Hörner. Oder einen starken Magneten, der den Flyers in meinem Umkreis den Strom abstellt. "Higher" wäre auch eine gute Produktbezeichnung, denn nur high fährt man so unbeholfen.


Warum ich nicht reiten wolle fragten mich nach der Rückkehr unsere pferdebegeisterten Mädchen. Weil ich ein Velo entschieden mehr liebe als ein Pferd. Es fährt, wenn man drauf sitzt - dahin, wo ich will. Man muss es nicht füttern und nicht striegeln. Es bockt nicht und hat keine Launen. Aber manchmal, wenn ich ein Elektrovelo sehe, dann denke ich: Laufen ist halt schon schön und schön einfach.